„Film ab“: Die Winterolympiade 1948 in St. Moritz mit Live Orgelmusik

Passend zur Jugendolympiade wurde in der reformierten Dorfkirche St. Moritz ein Film über die Olympiade 1948 in St. Moritz gezeigt und von Ester Mottini mit Live Orgelmusik unterlegt. Eine Erfahrung der besonderen Art.

Am Anfang war die Idee
Konzerte zeigen das Resultat einer intensiven Vorbereitung. Die Aufführung mag leichtfüssig daher kommen, dahinter steckt aber viel Arbeit.


Am Projekt „Film ab“, in dem die Winterolympiade 1948 in St. Moritz mit Live Orgelmusik unterlegt wurde, lässt sich der kreative Entstehungsprozess gut darstellen und gleichzeitig spezifische Herausforderungen dieser besonderen Konzertform beschreiben.


Die Orgel ist stark als liturgisches Instrument zur Begleitung von Gottesdiensten festgelegt. Am Anfang stand die Idee, den Klangreichtum dieses Instruments in einem anderen Kontext zu zeigen. In der Tradition der „Kinoorgeln“ anfangs des 20. Jahrhunderts sollte ein alter Schwarz-Weissfilm mit Live Orgelmusik unterlegt werden.


Und der Film war gut
Die Dokumentationsbibliothek in St. Moritz besitzt verschiedene alte Filme, die das Leben an diesem Kurort darstellen. Sportliche Grossereignisse wie die Skiweltmeisterschaft 2017 in St. Moritz oder die Jugendolympiade 2020 in der Schweiz legten nahe, einen Film über die Winterolympiade 1948 in St. Moritz am Austragungsort in einer neuen Form zu zeigen.


Der Film über die Olympiade vor gut 70 Jahren ist wunderbar komponiert und sorgfältig geschnitten, mit 1 1/2 Stunden aber zu lang. Auch wenn die Kürzung auf eine Stunde einen brutalen Einschnitt in das Kunstwerk bedeutete, war sie notwendig.


Leitmotive geben den Rhythmus vor
Wie der Vorhang im Theater grenzen im Film Wolkenbewegungen die einzelnen Szenen voneinander ab. „Akkordschichtungen“ setzen dieses bildnerische Stilmittel in Musik um.


Ästhetische Schwarz Weiss Bilder entwerfen poetische Landschaftsgemälde. Eine breit aufgefächerte lyrische Melodie greift diese Stimmung auf.


Dorfszenen aus St. Moritz verlangen eine besondere musikalische Gestalt: Der Charakter als mondäner Kurort sollte darin vorkommen, ohne dass die Wurzeln als einfaches Bergdorf verleugnet werden. Das romanische Volkslied „Sch'eu füss na Randulina“ ist dafür genau richtig. In einer weichen Molltonart gespielt, erhält es den leicht verruchten Charakter, der St. Moritz gut steht.


Die Ankunft eines Gastes im Palace-Hotel wird mit einem Tango-Rhythmus unterlegt, was Eleganz und Glanz bedeutet. Als Hommage an die Arbeiter, die den Ort für die Spiele vorbereiten, setzt sich der Rhythmus in den anschliessenden Szenen fort.


Scheppernde Blechklänge begleiten rucklige Bobfahrten. Abwechselnd mit der Ballade „über den Wolken“ von Reinhard Mey kommentieren röhrende Klopfrhythmen zu „Lucy in the Sky“ die Sprünge der Athleten auf der Olympiaschanze mit einem Augenzwinkern.


Der Schneewalzer zeichnet die eleganten Schwünge der Slalomfahrer auf der Skipiste nach mit musikalischen „Kleksen“ für Stürze. Der Gassenhauer „de Gigi vo Arosa“ erinnert an vergangene Zeiten und verleitet zum Schmunzeln.


Die „Schiwago“ Melodie passt perfekt zur Kür eines Eiskunstläufers, „The Entertainer“ und „Moon River“ zu den Darbietungen anderer Athleten und Athetinnen auf dem Eis. Die besondere Herausforderung bestand darin, die Musik möglichst genau auf die Sprünge der Tänzerinnen und Tänzer zu legen.


Zwei Geschichten ergänzen sich
Der Film zur Olympiade 1948 ist urprünglich kommentiert. Musik ersetzt im Konzert die Worte: Sie muss zu den Szenen passen, gleichzeitig aber auch abwechslungsreich und witzig sein, um das Publikum zu unterhalten. Mit Improvisationen und bekannten Melodien erzählte sie parallel zu den Bildern eine eine eigene Geschichte: Beim Eishockeymatch gleich zu Beginn baut die Musik einen durchgehenden  Spannungsbogen über die verschiedenen Spielszenen auf mit einem Höhepunkt am Ende der Partie.


Technische Herausforderungen
Die Bilder zogen wie ein unerbittlicher Dirigent vorbei. Über einen Spiegel konnte das Geschehen verfolgt und die Musik den Szenen möglichst genau angepasst werden. Gleichzeitig dem Film und dem Ablauf der Musik mit allen Wechseln der Klangfarben zu folgen, war eine Herausforderung, zumal keine Möglichkeit bestand, Register im voraus festzulegen.


Die Befürchtung, das Publikum könnte sich langweilen, war zu Glück unbegründet. Dergrosse Aufwand hat sich gelohnt.


Ester Mottini