Filmgottesdienst in Sils/Segl

Am Sonntag, 22. Februar 2020 fand um 17.15 Uhr in die offene Kirche in Sils ein Gottesdienst der besonderen Art statt: Anhand des Films „Zeit für Stille“ tauchten rund 50 Besucherinnen und Besucher zusammen mit den Pfarrern Urs Zangger und Andreas Wassmer in die Welt der Stille ein. Doch was ist „Stille“ eigentlich? Kaum jemand sucht die totale Stille, also die komplette Abwesenheit von Geräuschen. In Gegensätzen schälte der Film eine Form von Stille heraus, die wohl den meisten Menschen zusagt. Nach Motorenlärm, Hektik, Stimmengewirr und hitzigen Wortgefechten waren die ruhigen Naturaufnahmen mit dem sanften Flüstern des Windes und dem leisen Rascheln von welken Blättern umso entspannender. Hinter dem Begriff „Stille“ verbirgt sich letztlich die Sehnsucht nach Ruhe und innerer Einkehr. Einer, der sich ganz dem Gebet und der Meditation verschrieben hat, war Niklaus von der Flüe (1417-1487). Er lebte als Eremit in der Ranftschlucht in Obwalden. Das sogenannte „Bruder Klaus-Lied“ vertont das tägliche Gebet dieses Mystikers und ist bei den katholischen Glaubensbrüdern und -schwestern sehr beliebt. Gemeinsam wird es gesungen.

Angeregt durch den Film wird im zweiten Teil des Abends in kleinen Gruppen über das Gehen im Schweigen diskutiert. Alleine wandern heisse, wie eine Besucherin meinte, in sich hinein hören, die Gedanken kreisen lassen und allmählich leer werden. Nach einer solchen Wanderung fühle sie sich jeweils frisch und erholt. Eine interessante Erkenntnis ergab sich in einer Gesprächsgruppe, wo über schweigende Meditationsveranstaltungen gesprochen wurde. Trotz Sprechverbot bildeten sich mit der Zeit Gruppen heraus. Das zeigt, wie wichtig die nonverbale Kommunikation im Umgang miteinander ist.

Die Klangschale beendet die Gespräche. Mit Zitaten und anderen Inputs wird anschliessend das Phänomen der Stille umkreist. Die Ausführungen lassen sich mit dem bekannten Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ zusammenfassen, das sich in ähnlicher Form auch in der Bibel findet (Ps. 141,3).

Die Verwandlung von Wein und Brot in Blut und Leib Christi steht im Zentrum jeder katholischen Messe. In einer jahrhundertealten Liturgie inszeniert die katholische Kirche dieses Mysterium immer wieder neu und spricht mit festlichen Prozessionen, prunkvollen Gewändern und Weihrauch verschiedene Sinne der Gläubigen an. Verglichen damit kommt ein traditioneller reformierter Gottesdienst, in dem das Wort Gottes im Mittelpunkt steht, eher nüchtern daher. Der aufklärerische Gedanke dahinter spricht vorab den Verstand der Gläubigen an.

Besondere Feiern wie der Filmgottesdienst möchten die Besucherinnen und Besucher nicht nur auf einer rationalen sondern auch auf einer emotionalen Ebene ansprechen. Rund 50 Neugierige haben  sich an jenem Sonntag auf das Experiment eingelassen und wurden nicht enttäuscht. Dennoch hätten vielleicht weniger Impulse, die dafür in ihrer Tiefe ausgelotet worden wären, neue Erkenntnisse gebracht. Eine Blumendekoration nicht nur am Rande, sondern im Zentrum des Geschehens hätte zusammen mit Kerzen zur stimmungsvollen Atmosphäre im Kirchenraum beitragen können und Aufstehen zumindest zum Gebet wäre angemessen gewesen. Der Filmgottesdienst und insbesondere der Einbezug des Publikums war dennoch eine gelungene Möglichkeit, Gemeinschaft in einer neuen Form zu erleben. Die Anwesenden machten sich mit der Anregung auf den Weg, beim Wandern Augen und Ohren zu öffnen für die Wunder der Schöpfung.

Ester Mottini