Die Kirchgemeindeversammlung vom 24. Mai 2022 in St. Moritz

Am Dienstagabend, den 24.05.2022 fand die 1. Kirchgemeindeversammlung im laufenden Jahr in der Dorfkirche in St. Moritz statt.

Sich auf Wesentliches besinnen

Auf elf politische Gemeinden kommen 22 Kirchen, die alle unter Denkmalschutz stehen und als Kulturgüter unterhalten werden müssen. Vor vier Jahren wurde eine Zustandsanalyse mit Investitionsbedarf für jede Kirche gemacht. Das Resultat ist in einer Broschüre für jeden Kreis zusammengestellt. Geht man von einem Renovierungsrhythmus von 50 Jahren aus, fallen jedes Jahr zwischen CHF 250‘000.-- und CHF 300‘000.-- für Renovationsarbeiten an einer der Kirche an. Die Denkmalpflege beteiligt sich mit 10-15 % an diesen Ausgaben, den grössten Teil tragen also die reformierten Steuerzahlenden. Nicht inbegriffen in dieser Rechnung sind die laufenden Betriebskosten von CHF 150‘000.-- bis CHF 160‘000.--, die nicht zuletzt fürs Heizen der Kirchen pro Jahr anfallen.

 „Können wir uns das leisten?“ Diese Frage stellt Marius Hauenstein, der bei refurmo für das Ressort Liegenschaften verantwortlich ist, den 59 anwesenden Stimmberechtigen. Nicht zuletzt auf dem Hintergrund der stetig sinkenden Zahl von Kirchenmitgliedern drängt sich dazu eine ehrlich Antwort auf: Waren 2017, als sich refurmo aus den acht reformierten Kirchgemeinden im Oberengadin gebildet hatte, noch 5‘407 Mitglied der Landeskirche, sank diese Zahl im vergangenen Jahr auf 4‘845, selbstredend verringerten sich dadurch auch die Steuereinnahmen.

„Ist es allein die Aufgabe der reformierten Kirchgemeinde Oberengadin, diese Kulturgüter zu unterhalten, gehört sie zu den Kernaufgaben von refurmo?“ Mit diesen Anschlussfragen dringt Marius Hauenstein zum Kern des Problems vor und fragt weiter: „Würden anstelle von 22 Kirchen vielleicht auch 17 genügen?“ Sich von ein paar Kirchen zu trennen, würde das Budget erheblich entlasten. Eine solche Lösung wäre vertretbar, umso mehr als einige Orte gar mit mehr als einer reformierten Kirche geschmückt sind. Ein kurzer Film auf dem Youtube-Kanal, auf Facebook und Instagram präsentiert die Kirchen in refurmo.
Zwei davon sind, wie der Kirchenverantwortliche feststellt, nicht nur in kultureller sondern auch in finanzieller Hinsicht „Juwelen“: Die Kapelle Santa Margarita im Fextal und die Kirche San Gian in Celerina sind selbsttragend.

Konkret ginge es darum, sich von fünf Kirchen zu trennen: In Sils entweder von der Kirche San Lurench in Sils-Baselgia oder von der offenen Kirche in Sils-Maria, in St. Moritz von der französischen Kirche „Église au bois“, in Celerina von der Kirche „Bel Taimpel“ oder „Crasta“, in Samedan von „San Peter“ beim Friedhof und in La Punt-Chamues-ch entweder von der Tirolerkirche in La Punt oder von San Andrea in Chamues-ch. Für die Kirche „Bel Taimpel“ in Celerina zeigt das Kulturarchiv Interesse.

Fünf nichtständige Arbeitsgruppen, in denen neben Vorstand und Pfarrpersonen Bewohnerinnen und Bewohner der betreffenden Orte Einsitz nehmen, suchen nach einer Lösung für ihre Kirchen, sei es, dass über einen Verkauf nachgedacht oder dass einzelne von ihnen in eine Stiftung überführt würden. Bei einem Verkauf käme der Erlös vollumfänglich einer anderen Kirche am Ort für eine Sanierung zugute. Die Arbeitsgruppen entwerfen einen konkreten Vorschlag für die Kirchgemeindeversammlung. Wird dieser akzeptiert, kann er anschliessend der politischen Gemeinde unterbreitet werden.

Wohnungen für Einheimische

Bezahlbaren Wohnraum zu finden, ist auch für Einheimische im Oberengadin schwierig. Refurmo besitzt in S-chanf und St. Moritz-Dorf je ein Pfarrhaus, in dem Wohnungen zu günstigen Konditionen vermietet werden. Damit setzt die Kirchgemeinde nicht nur ein kleines aber feines Zeichen gegen die Wohnungsnot im Tal, sondern verfügt auch über eine verlässliche Einnahmequelle, die nicht von den Steuereinnahmen abhängt.

Im Unterschied zum Gebäude in S-chanf ist dasjenige in St. Moritz sanierungsbedürftig. Eine Arbeitsgruppe befasst sich mit diesem Problem.

In Samedan verfügt refurmo zusätzlich über zwei Parzellen, die als Bauland genutzt werden können: Die eine befindet sich bei Promulins, die andere nach der Brücke am Dorfeingang etwa auf der Höhe  der Bushaltestelle „Sur l’En“. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Frage, wie diese Landstücke letztlich zu bezahlbaren Wohnungen für Einheimische werden könnten. Allerdings sei es, wie der Präsident von refurmo Gian Clalüna ausführte, nicht Aufgabe der Kirchgemeinde, selber auf dem Wohnungsmarkt aktiv zu werden. Eine Arbeitsgruppe klärt vorerst mit der politischen und der Bürgergemeinde von Samedan ab, ob von ihrer Seite her Interesse an den Grundstücken besteht und sucht, falls dem nicht so wäre, das Gespräch mit privaten Investoren wie einer Genossenschaft oder einer öffentlich rechtlichen Pensionskasse, die nicht auf eine maximale Rendite zielen.

Robuste Finanzen

Ungeachtet der offenen Fragen präsentiert sich die Jahresrechnung 2021 erfreulich. Statt wie budgetiert mit einem Defizit schliesst sie mit einem Ertragsüberschuss von CHF 62‘636.92 ab.

Zwei Gründe führt Kurt Fischer, der Finanzverantwortliche von refurmo, dafür ins Feld:
Zum einen sind die Steuereinnahmen im vergangenen Jahr höher ausgefallen als erwartet und zum anderen bewegten sich die Ausgaben im Rahmen des Haushaltsplans. Einzelne Hypotheken konnten abbezahlt oder zu einem tieferen Zinssatz erneuert werden und Investitionen wurden auf ein Minimum beschränkt.

Auf Antrag der Geschäftsprüfungskommission nahm die Versammlung sowohl Jahres- als auch Investitionsrechnung einstimmig an und erteilte dem Vorstand Décharge.

Gesamterneuerungswahlen für den Vorstand im November.

Hansjörg Buob aus La Punt wird einstimmig in die Geschäftsprüfungskommission der Kirchgemeinde GPK gewählt und tritt damit die Nachfolge von Lucian Schucan aus Zuoz an, der seit November letzten Jahres im Vorstand von refurmo ist.

Als Empfehlung wird ein Antrag angenommen, für die Wahlen in der zweiten Jahreshälfte eine Findungskommission einzusetzen, die sich auf die Suche nach möglichen Kandidatinnen und Kandidaten für den Vorstand macht. Jede und jeder Interessierte ist herzlich eingeladen mitzumachen.

Entscheide der Kirchgemeindeversammlung haben Auswirkungen auf das kirchliche Leben, allein schon der Grösse von refurmo wegen ist es deshalb wichtig, sich dabei an die geltende Kirchgemeindeordnung zu halten.

Abschied und Neuanfang

Letzten Dezember ist Markus Schnizler aus Celerina von seinem Amt im Vorstand von refurmo zurückgetreten und Ende August beendet Duri Schwenninger seine Arbeit als Geschäftsführer der Kirchgemeinde, um in Thusis seine Stelle als Gemeindeschreiber anzutreten. Beiden wird mit einem Gutschein herzlich für ihr grosses Engagement für die Kirche gedankt.

Während der Sitz im Vorstand bis zu den Wahlen im Spätherbst vakant bleibt, konnte Markus Schild als neuer Geschäftsführer gewonnen werden.

Aus persönlichen Gründen ziehen Pfarrer David Last und seine Frau, Sozialdiakonin Karin Last, Ende November dieses Jahres von Bever ins Unterland. Ihre Verdienste für die Kirchgemeinde werden zu einem späteren Zeitpunkt mit einem eigenen Beitrag gewürdigt.

Eines der Ziele von refurmo besteht darin, die Sozialdiakonie in der Gemeinde zu stärken. In einem ersten Schritt wird deshalb, bevor ein Teilpensum besetzt wird, die Vollzeitstelle ausgeschrieben.

Streiflichter durchs Gemeindeleben

Nach langer „coronabedingter“ Pause konnten im vergangenen Jahr mit gebührender Vorsicht Veranstaltungen wie Treffen von Seniorinnen und Senioren, Mittagstisch und andere Möglichkeiten für eine persönliche Begegnung wieder angeboten werden.

Neu ins Leben gerufen wurde 2021 die Bildungsreihe „forum refurmo“. Als Plattform für Bildung, Begegnung und Austausch ist ihr Ziel, sich in christlichem Sinn mit weltlichen und kirchlichen Aspekten des Lebens auseinanderzusetzen. Eröffnet wurde die Reihe im November letzten Jahres mit einem Vortrag des Historikers Guadench Dazzi aus S-chanf zum Leben im Oberengadin zur Zeit der Reformation. Fortgesetzt wird sie 2022 mit Referaten, die weitere Aspekte der Reformation im Oberengadin beleuchten. Berichte und Informationen dazu finden sich auf der Webseite von refurmo.

Ende letzten Jahres trat ausserdem die revidierte Kirchgemeindeordnung in Kraft. Sie ist in der Rubrik „Organisation“ auf der Webseite von refurmo publiziert.

Im Kreis Mitte nahmen mit Didier Meyer in Samedan und Thomas Maurer in Celerina/Pontresina im vergangenen Jahr zwei neue Pfarrpersonen ihre Arbeit auf. Gemeinsam gestalteten sie den Onlinegottesdienst zu Weihnachten, der auf dem Youtubekanal von refurmo aufgeschaltet ist.

Passend zum Engadin Skimarathon wurden im März dieses Jahres Sportlerinnen und Sportler zum Thema „Sport und Glaube“ interviewt. Ihre Antworten sind in kurzen Filmsequenzen auf dem Youtubekanal der Kirchgemeinde festgehalten.

Im April dieses Jahres konnte „500 + 1 Jahre“ Kirche San Rochus Champfèr gefeiert werden. Nicht die übliche Festschrift dokumentiert Ort und Kirche im Wandel der Zeit, sondern ein Film. Alteingesessene Champferots erzählen darin aus ihrem Leben, wie sich der Ort im Lauf der Zeit verändert hat und was ihnen die kleine Kirche bedeutet. Entstanden ist lebendiges Portrait der Gemeinde und ein bewegender Film. Er lässt sich auf dem Youtubekanal abrufen.

Das aktuellste und gleichzeitig erschütterndste Ereignis ist der Krieg in der Ukraine. Von Sozialdiakonin Karin Last koordiniert, richteten freiwillig Helfende umgehend in Samedan eine Sammelstelle für die Ukrainehilfe Graubünden ein, Benefizkonzerte setzten Zeichen der Solidarität mit der notleidende Bevölkerung und sorgsam gestaltete Gebetsecken in den Kirchen von refurmo laden seit Beginn des Krieges zu stiller Einkehr ein.

Ester Mottini