Ferien einmal anders - Die Konfirmanden aus St. Moritz, Sils und Silvaplana als Pilger unterwegs

Wärme, Sonne, Meer, Sand, Pizza: Wunschurlaub in den Herbstferien? Für einige mag das so gewesen sein. Für 6 Konfirmandinnen und Konfirmanden aus St. Moritz, Silvaplana und Sils sowie 3 Begleitpersonen der reformierten Kirchgemeinde Oberengadin wurde die erste Ferienwoche ein Erlebnis der ganz anderen Art.

Wanderausrüstung, Gepäck für drei Tage, gute Laune und trockenes Wetter waren Voraussetzung für den Start. Die Gruppe nahm ein Teilstück des Jakobswegs unter die Füsse und folgten den Spuren von zahlreichen Pilgern. Die Frage "Was benötige ich wirklich?", wenn ich das Gepäck selbst tragen muss, mag im Vorfeld einiges Kopfzerbrechen verursacht haben. So war es gut zu merken, dass die Gruppe sich aushalf, wenn etwas vergessen gegangen war oder die Last zu schwer wurde. Eine schöne Gemeinschaftserfahrung!

Nach dem Start in S-charl ging es in gemächlichem Wandertempo durch den beeindruckenden und in Europa höchstgelegenen Arvenwald, den God da Tamangur. Eine Pause im Wald liess die Gruppe staunen, wie die fest verwurzelten Arven jedem Wetter standhalten, und darüber nachdenken, wie jede und jeder im Alltag verwurzelt ist und wo Halt zu finden ist. Weiter ging es über den Pass da Costainas nach Lü im Val Müstair. Alle waren nach dem schlussendlich doch recht anstrengenden Tag froh, von Lü mit dem Bus nach Santa Maria zur ersten Übernachtung zu fahren und bei einem gemeinsamen Nachtessen den ersten Tag Revue passieren zu lassen.

Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es am zweiten Tag weiter auf dem Jakobsweg nach Müstair. Die kurze Strecke und der Aufenthalt im Kloster Müstair samt seinem Friedhof erlaubten wiederum, nachdenklich machende Eindrücke zu sammeln. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden entdeckten auf dem Friedhof des Klosters etwas von der Endlichkeit des Lebens. Ein kleines Experiment half dabei, sich über das Leben Gedanken zu machen und nach Momenten der Dankbarkeit Ausschau zu halten. Dafür erhielten alle Teilnehmenden zehn Kichererbsen in eine Hosentasche. Während des Tages sollten sie sich überlegen, für was sie gerade an diesem Tag dankbar sein können. Für jede Idee und jeden Gedanken der Dankbarkeit sollte eine Erbse in die andere Hostentasche wandern. Alle waren erstaunt, wie schnell im Verlaufe des Tages alle Erbsen in die Hosentasche "Dankbarkeit" gewandert waren. Ein vielleicht im Geheimen ausgestossenes "Danke!" galt der unvorhergesehenen längeren Mittagspause auf der Fahrt ins Südtirol Richtung Naturns. Denn in Mals war der Bahnticketschalter geschlossen und ein Kauf der Tickets über Internet war – ja, das gibt es tatsächlich noch – nicht möglich. So mussten wir auf ein Stück Fussweg verzichten und verspätet direkt mit der Bahn nach Latsch weiterfahren. Nach dem anstrengenden ersten Tag ein willkommenes Geschenk für die müden Beine, die sich in Latsch im Freizeit- und Erlebnisbad weiter erholen konnten. Anschliessend führte die Fahrt uns durch die herrlichen Apfelplantagen des Vinschgaus weiter zu unserem Zielort Naturns. Wir durften dort im Sinne von gelebter Ökumene im katholischen Pfarrhaus im Pfarrhaussaal auf dem Boden übernachten. Mit den Iso-Matten war es nicht so bequem wie zu Hause, aber alle konnten so erfahren, wie es Pilgern in früherer Zeit ergangen sein muss.

Der dritte Tag in Naturns stand im Zeichen der Begehung des Jesus-Besinnungsweges. Ist es möglich, biblische Geschichten aus dem Leben von Jesus auf einem Wanderweg in der Natur darzustellen? Die verschiedenen Stationen überzeugten die Teilnehmenden, dass der Kreativität und Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. So wurde z.B. für die Geburt eine Höhle benutzt; der Tod am Kreuz war auf dem höchsten Punkt nahe an einem Abgrund mit Kreuzen aufgebaut; für die Auferstehung gelangte man nach dem Gang durch einen symbolischen Sarg in eine ruhige und mit vielen Blumen gestaltete Teichlandschaft. So konnten wir selbst nacherleben, was vor rund 2000 Jahren geschehen ist. Die Erzählungen waren für uns plötzlich nicht nur Geschichten, sondern sie machten auch etwas mit uns.

Diese drei etwas anderen Ferientage haben uns etwas von dem erfahren lassen, was es heisst, auf dem Weg zu sein. Dabei haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass – wie im Leben – wir uns gut überlegen müssen, was wir wirklich brauchen und was wir aus dem Rucksack entfernen können.

 

Pfr. Patrice J. Baumann, Pfr. Andreas Wassmer und Karin Käser